Man sieht die Silhuetten von streikenden Personen vor einem Zaun.

Fällt ein Flug aus, ist das für Reisende immer ärgerlich. Besonders im Falle eines Streiks. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn den Passagieren keine Entschädigung zusteht und diese auf ihren Flugkosten sitzen bleiben. Haben zum Beispiel in der Vergangenheit Airline-Mitarbeiter gestreikt, so galt dies oft als „außergewöhnlicher Umstand im Flugverkehr“. Fluggäste hatten in diesem Fall meistens keinen Anspruch auf eine Entschädigung seitens der Airline.

Doch nun stärkt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Fluggastrechte in der ganzen EU: Airlines müssen nun Kunden bei angekündigten Streiks ihrer Mitarbeiter entschädigen. Was genau das Urteil aussagt und wann Dir als Fluggast bei Streiks eine Entschädigung zusteht, erfährst Du in diesem Artikel.

EuGH stärkt Fluggastrechte im Streikfall

Das Urteil vom 23.03.2021 des EuGH sagt aus, dass ein angekündigter Streik der Airline-Mitarbeiter in den meisten Fällen nicht mehr wie zuvor als „außergewöhnlicher Umstand“ gilt. Wenn nun ein Flug wegen eines solchen Streiks ausfällt oder deutlich verspätet startet, können Passagiere einen Anspruch auf eine Entschädigungszahlung haben.

Wenn sich der Streik darauf beschränkt, Gehaltserhöhungen oder bessere Arbeitszeiten durchzusetzen, dann kann dies nicht mehr als „außergewöhnlicher Umstand“ von der Airline ausgelegt werden. Vielmehr sind solche Forderungen „Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit dieser Unternehmen“ (EuGH, 23.03.21). Jeder Arbeitnehmer hat das Recht zu streiken. Ein Streik ist somit eine „für jeden Arbeitgeber vorhersehbare Tatsache“; vor allem, wenn er unter den gesetzlichen Anforderungen organisiert wird. 

Damit nämlich etwas im Sinne der rechtlichen Grundlage als „außergewöhnlicher Umstand“ gilt, müssen laut EuGH zwei Anforderungen erfüllt sein: Zum einen darf das Ereignis, welches zu Flugbehinderungen geführt hat, nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein. Die andere Anforderung sagt aus, dass dieser Umstand von der Fluggesellschaft nicht beherrschbar sein darf. Vor dem Urteil hat ein Streik von Airline-Mitarbeitern diese Anforderungen häufig erfüllt, doch das Urteil vom 23.03.21 macht Flugpassagieren nun Hoffnung.

Hintergrund für das Urteil ist ein Streit aus Schweden: Ein Fluggast verlangte von einer Airline eine Entschädigung von 250 €, weil ein für April 2019 geplanter Flug von Malmö nach Stockholm am selben Tag wegen eines Pilotenstreiks in Norwegen, Schweden und Dänemark annulliert wurde. Aufgrund des mehrtägigen Streiks sind mehr als 4000 Flüge gestrichen worden, wovon ungefähr 400.000 Fluggäste betroffen waren. Wenn jeder Gast eine Entschädigungszahlung erhalten hätte, wären laut der Fluggesellschaft Kosten in Höhe von 120 Millionen Euro entstanden.

Unterschiede bei Fluglotsenstreiks

Ob ein Streik, der nicht von den Airline-Mitarbeitern durchgeführt wird, als „außergewöhnlicher Umstand“ ausgelegt werden kann, muss allerdings nach wie vor von Fall zu Fall betrachtet werden. So ist ein Streik von Fluglotsen nicht beherrschbar und kann als „außergewöhnlicher Umstand“ betrachtet werden. Das Gleiche gilt bei Streiks von Airline-Mitarbeitern, deren Forderungen nur von staatlicher Seite erfüllt werden können. 

Ungewöhnliche Streikmaßnahmen wie zum Beispiel die massenhaften Krankmeldungen der Belegschaft der Airline Tuifly aus dem Jahr 2018 sind nach wie vor keine nicht-zu-erwartenden Reaktionen und damit kein „außergewöhnlicher Umstand“. Hier hatte der EuGH bereits in mehreren Entschädigungsprozessen gegen die Aussagen von Tuifly argumentiert und die Krankmeldungen als unmittelbare Folge einer unternehmerischen Entscheidung der Airline bezeichnet.

Neu ist allerdings auch, dass eine Airline im Falle eines Streiks der Mitarbeiter der Sicherheitskontrollen für Entschädigungen aufkommen muss, wenn dadurch eigene Flüge ausfallen.  

Flugzeug von Eurowings - Fliegen in der Schwangerschaft - Regelungen

Update vom 06.10.21

Der Europäische Gerichtshof stärkt einmal mehr die Rechte von Flugreisenden. Fluggäste haben nach wie vor Anspruch auf eine Entschädigungszahlung, wenn ihr Flug durch einen Streik des Kabinenpersonals ausfällt.

Es wurden nun klare Regelungen bezüglich der Entschädigungszahlungen festgelegt: Fluggäste haben einen Anspruch auf bis zu 250 € Entschädigung, wenn bei kurzen Flügen ihre Verbindung aufgrund eines Streiks ausfällt oder sich stark verspätet. Bei längeren Flügen von über 1500 Kilometern kann sich dieser Betrag auf bis zu 600 € erhöhen. Ein Anspruch auf eine Entschädigungszahlung kann immer nur dann durchgesetzt werden, wenn die zuständige Airline vorher keine zufriedenstellende Ersatzverbindung anbietet.

Zudem können Flugreisende nicht klagen, wenn sie bereits 2 Wochen vor Abflug über den Streik und die damit verbundene Flugannulierung informiert worden sind. Es kann außerdem von der Airline ein „außergewöhnlicher Umstand“ geltend gemacht werden (s. oben).

Grundlage für das neue Urteil stellt die Klage eines Fluggastes dar, welcher 250 € von der Airline Eurowings verlangte, da sein Flug von Salzburg nach Berlin aufgrund eines Streiks ausfiel.


Fazit

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23.03.2021 haben Flugpassagiere gute Chancen auf eine Entschädigungszahlung, wenn ein Flug aufgrund eines Streiks von Airline-Mitarbeitern ausfällt oder sich deutlich verspätet. Streiks von Airline-Mitarbeitern erfüllen nämlich nicht die Bedingungen, um als „außergewöhnlicher Umstand im Flugverkehr“ zu gelten und somit Airlines von Entschädigungszahlungen zu befreien.

Anders sieht es aus, wenn Fluglotsen streiken oder die Forderungen der Streikenden nur von staatlicher Seite erfüllt werden können. Hier kann die Fluggesellschaft in den meisten Fällen keinen Einfluss auf die Streikenden ausüben. Ob hier Flugpassagieren eine Entschädigung zusteht, ist einzelfallabhängig.

Wenn Du von einem Flugausfall durch einen Streik betroffen bist, wende Dich an passengersfriend.com! Wir helfen Dir, Deine Fluggastrechte durchzusetzen!

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